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7: 1958; COMPUTER SPRECHEN GRIECHISCH...ALPHA-BETA!

Ein weiteres Programm wurde von Allen Newell, Cliff Shaw und Herbert Simon wurde ebenfalls 1958 in dem IBM Journal of Research and Development vorgestellt, das gleich eine ganze Reihe von bahnbrechenden Neuerungen einführte: NSS, wie das Programm genannt wurde, wurde komplett in einer Programmiersprache geschrieben (Die Vorgänger wurden noch im Maschinencode programmiert).

Eine weitere bemerkenswerte Neuerung war die Programmstruktur, die NSS als Typ-C-Programm klassifizierte! Das Programm setzte sich vor jedem Zug “Ziele”, die es benutzte, um nicht zu diesem Ziel führende Zugfolgen frühzeitig aus dem Suchbaum auszuschließen. Hierbei waren weder Breite noch Tiefe starr begrenzt und der Abbruch einer Zugfolge geschah erst, wenn die letzte Stellung auch wirklich “tot” war, also kein Schlag-oder Schachzug mehr möglich war!

Doch wesentlich revolutionärer war ein neuer Algorithmus, Alpha-Beta genannt! Dieser sorgte für eine drastische Beschneidung des Variantenbaumes in Ergänzung des Minimax-Prinzips. Im Idealfall von n-Stellungen auf 2.Wurzel aus n-Stellungen! Oder plastischer ausgedrückt von ca. drei Milliarden Stellungen bei sechs Halbzügen müssen nur noch wenig mehr als 100.000 berechnet werden!

Das Prinzip ist so einfach wie logisch: Kein Mensch würde schließlich noch weitere schlechte Züge prüfen, wenn er wüßte, daß es auf jeden Fall eine günstigere Variante gibt. Warum also sollte dies der Computer tun. Kishon, Pfleger und Weiner schreiben in ihrer Chronologie das Alpha-Beta-Prinzip übrigens Prof. McCarthy zu (siehe unten 1962), was aber nicht richtig sein dürfte.

Das erste einigermaßen intelligente Programm also, von dem die folgende beispielhafte Partie bekannt ist:

(4) NSS - unbekannter Mensch [D00]

1.d4 Sf6 2.Sc3 d5 3.Dd3 b6 4.e4 Lb7 5.exd5 Sxd5 6.Sf3 e6 7.Le2 Le7 8.Le3 0–0 9.0–0 Sd7 10.Tfe1 c5 11.Tad1 Dc7 12.Sxd5 Lxd5 13.a4 Tac8 14.Dc3 Lf6 15.Lb5 Lxf3 16.gxf3 Tfd8 17.Lxd7 Dxd7 18.b3 cxd4 19.Dd2 Dc6 20.Lf4 Dxc2 21.Dxc2 Txc2 22.Tc1 Tdc8 23.Tcd1 T8c3 24.b4 Txf3 25.Lg3 d3 26.Tc1 Lg5 27.Txc2 dxc2 28.Le5 c1D 29.Txc1 Lxc1 0–1

Weiß gab auf. Der Computer hat zwar nicht recht planvoll gespielt, aber für ein Programm von 1958 auch keine großen Fehler gemacht. Außerdem sollte man bedenken, daß es sich um ein die menschliche Denkweise nachahmendes Programm handelt. übrigens ist es bis heute das einzige Typ-C-Programm, das komplette, veröffentlichte Partien gespielt hat.

Dies alles macht NSS zu einem der interessantesten Programme in der Historie des Computerschachs!

 

7: AB 1960; UND HINTER DEM EISERNEN VORHANG...

Die Überlieferung besagt, daß 1960 bereits der erste Kampf ”Meister gegen Maschine” stattfand. IM Eduard Lasker soll gegenüber einem mir unbekantnen Programm noch die Oberhand behalten haben. Derselbe war es auch, der 28 Jahre später die zweifelhafte Ehre gehabt hat, der erste Verlierer in diesem Wettstreit gewesen zu sein. Doch davon später mehr.

Der Anfang der 60er Jahre war die Hochzeit des kalten Krieges. So wundert es nicht, daß auch in der Sowjetunion, dem Land, in dem Schach Nationalsport ist, Wissenschaftler auf die Programmierung des königlichen Spiels angesetzt wurden. 1961 wurde dann das erste sowjetische Schachprogramm fertiggestellt. Es wurde unter der Leitung von Prof. M. Schura-Bura in Styelkow geschrieben. Es war nicht das erste Computerprogramm aus der UdSSR, das für das Schach konzipiert war, denn bereits 1956 programmierte V.M. Kuroschkin einen Computer, der Schachaufgaben lösen konnte. Aber Prof. Schura-Buras Programm spielte als erstes Ost-Programm vollständige Partien.

Sehr große Beachtung fand auch das Programm “Pioneer”, das vom Exweltmeister (WM 1948-1957, 1958-1960, 1961-63) Michael Botwinnik seit etwa 1963 bis heute entwickelt wird! Das erstaunliche an Pioneer ist, daß es nach dem Willen seines Erbauers die großmeisterliche Denkweise vollständig nachahmen soll. 1987 gab Botwinnik anläßlich seines vorletzten Besuches in der Bundesrepublik ein Interview (Deutsche Schachzeitung Nr.2 + 3 / 1987), in dem er angab, daß er die Arbeiten an seinem Schachprogramm noch immer nicht beendet habe und sein dringlichstes Problem das eines genügend schnellen Rechners sei. Leider darf vermutet werden, daß Botwinnik wohl doch etwas zu optimistisch eingestellt ist, denn Pioneer hat in den langen Jahren seiner Entwicklung noch nicht eine einzige komplette Partie gespielt. Sein Erbauer demonstrierte lediglich einige Studien, die das Programm löste: Als Beispiel hier die folgende, zugegebenermaßen sehr schwierige Position, die allerdings auch für einige Mikros (nicht nur jüngere Modelle) nicht unlösbar ist.

 

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